Bewertungsverfahren<< Von der Kritik zur Tat | Aus der Neo-Welt | Eigenschaften >> Wo nun bereits mehrere Interessierte sich um die Schaffung einer besseren Tastaturbelegung für die deutsche Sprache bemüht haben, stellt sich die Frage, welche von ihnen nun die Beste ist. Man könnte sogar noch fragen, ob es nicht noch besser geht. Nach welchen Gesichtspunkten geht man in so einem Fall vor? Wie soll man die Güte einer Tastaturbelegung messen und beurteilen? Es gibt Regeln dafür, wie ein Auto sein soll, damit es die vorgeschriebene Inspektion besteht, ebenso Richtlinien dafür, was ein 4-jähriges Kind bei der Vorsorgeuntersuchung können muss. Aber eine Tastatur? Was soll sie können? Ergonomie für Tastaturen gibt es nichtSeltsamerweise gibt es hier keinerlei Regeln. Es ist fast so, als hätte nie jemand darüber nachgedacht, wie eine Tastatur aussehen sollte. Und selbst, wenn jemand nachdenken sollte, gibt es Probleme. Das sieht man anhand des Zahlenblocks von Taschenrechnern und Telefonen:
Alle sind sich einig, dass das so bleiben muss - wir brauchen einfach zwei verschiedenen Zahlenblöcke. Das ist jetzt so und das kann man nicht mehr ändern. Ein weiteres Beispiel ist die Anordnung von Bremsen auf Fahrzeugen mit zwei Rädern. Alle sind sich einig, dass die Vorderbremse von Motorrädern auf der rechten Seite sitzen muss. Selbst dann, wenn der Fahrer Linkshänder ist. Genau so einig ist man, dass die Vorderbremse bei Fahrrädern auf der linken Seite sitzen muss. Auch wenn der Fahrer Rechtshänder ist. Selbst Leute, die sowohl Motorrad als auch Fahrrad fahren, wagen es nicht, diese heiligen Regeln unserer abendländischer Wertegemeinschaft in Frage zu stellen. Leute, die weiße Mütze tragen dürfen und befugt sind, haben es entschieden und jetzt bleibt es so. Als Julius Cäsar in Ägypten war, besuchte er eine Reihe von Tempeln, wo man ihm unter anderem den Kalender erklärte (die Amtssprache war damals in Ägypten Griechisch, das Cäsar fließend sprach, er hatte ja früher Jura in Griechenland studiert). Man erklärte ihm, dass das Jahr 365,25 Tage hatte, und dass man eigentlich alle 4 Jahre einen Tag hätte zugeben müssen, dann würde der Kalender immer stimmen. Nun sei der Kalender aber so wie er ist und gehe nicht mehr zu ändern. Alle wussten Bescheid, aber niemand konnte etwas tun. Der Kalender, den wir heute benutzen, ist im Auftrag Cäsars von einem Beamten erstellt worden. Cäsar konnte eben etwas tun... Nun soll diese Geschichte nicht als Plädoyer für die Diktatur verstanden werden. Die Geschichte soll aber verdeutlichen, dass es gelegentlich Missstände gibt, die jedem bekannt sind, und gleichzeitig sind sich alle einig, dass nichts dagegen getan werden kann. Was ist wichtig und was nicht?Nun sind war zum Glück nicht die Einzigen, die sich Gedanken über Sinn und Unsinn der Tastenanordnung gemacht haben. Und in der Tat kann man etwas tun. In den USA gab es bereits in den 1930'ern einen Professor, der sich mit Ausbildung befasste und auf wissenschaftlicher Grundlage eine neue Tastaturbelegung erstellte. Sein Name war August Dvorak. Er ist auf dem folgenden Bild von 14.11.1932 zu sehen: Die Patentschrift ist hier zu lesen: Attach:Dvorak-Patentschrift.pdf In seiner Patentschrift vom 21.05.1932 schreibt Dvorak, dass die Ziele der Tastaturentwicklung seien:
In der Patentschrift heißt es zu der Schreibung mehrerer Buchstaben hintereinander: "Auf der normalen Tastatur ist der Zeitbedarf verschiedener Buchstabenpaare sehr unterschiedlich. Der große Unterschied zwischen der kurzen benötigten Zeit bestimmter Buchstabenfolgen im Vergleich mit anderen wird hauptsächlich von unvermeidlichen Verzögerungen aufgrund der räumlichen Anordnung der Tasten verursacht. Messungen ergeben zum Beispiel immer größere Verzögerungen von
Vergleiche der benötigten Zeit solcher Buchstabenpaare ergeben auf der "Standardtastatur":
Mitteilungen zufolge entspricht das 70 Wörter in der Minute für "de" bis 224 Wörter in der Minute für "nd". Die Buchstabenpaare werden am schnellsten geschrieben, die sich auf verschiedenen Händen befinden, auf entfernten Fingern der gleichen Hand oder auf dem ersten und zweiten Finger der rechten Hand." Und weiter zu der Geschwindigkeit von Buchstabenpaaren heißt es: "Mitteilungen zufolge dauert ein Doppelanschlag auf der Stelle wie "jj" 0,14 s, Fingerwiederholung mit einfachem Reihensprung wie "jm" 0,16 s und Fingerwiederholung mit doppeltem Reihensprung wie "um" 0,17 s." "Die Tastenfolgen mit Handwechsel, (1) und (2) oben, sind schnell und leicht zu schreiben. Eine Folge von zwei benachbarten Fingern (3) ist nicht leicht, selbst wenn es die zwei ersten Finger sind, wie "er". Sind zwei Buchstabenreihen beteiligt, wie "nk" oder andere Finger als die ersten zwei, wie "as" oder "wa", dann wird es langsam und beschwerlich. Folgen (4) von Tasten in der oberen und unteren Reihe in der gleichen Hand dürfen als Hürde bezeichnet werden. Sie sind immer langsam und schwierig, wie auch die Streckbewegungen und die Fingerwiederholungen (5) mit Reihensprüngen wie "ft" oder "rt"." "Kaum besser sind die Verwendung von benachbarten Fingern. Die Standardtastatur hat jede Menge davon, etwa "aw", "se", "as", "we", "er", "ge", "hi", "ui", "ol", "io", "po" "pl", "nk", "ef", "dr", "dv", "et" und Nachbar-Hürden wie "ex", "cr", "ct", "be", "ev", "in", "et" und "ev" zum Beispiel, die auf Englisch recht häufig sind. Auf der Standardtastatur sind 21% aller Buchstabenpaare benachbarte Anschläge..." Zu der Richtung der einhändigen Tastenfolgen heißt es: "Eine weitere Feststellung, die von Bedeutung in der Anordnung der Tasten ist, ist dass Tastenfolgen in einer Hand (die ja nun nicht ganz vermieden werden können) befriedigender ablaufen, wenn sie von außen nach innen gerichtet sind. Man kann leichter eine Reihe Tasten vom Kleinfinger bis auf den Zeigefinger nach einander drücken als umgekehrt. Auf unserer Tastatur verlaufen die häufigsten Tastenfolgen von außen nach innen. Folgen, die in beide Richtungen verlaufen können, wie etwa "er" und "re" werden am besten auf die zwei Seiten verteilt." Dvorak geht in der Patentschrift auch auf die Schreibfehler ein: "Wir haben die 300 am häufigst falsch geschriebenen Buchstabenfolgen gesammelt. Sie machen 75% der Fehler in den 1000 häufigsten Wörtern aus. Tatsächlich machen 200 Wörter 60% dieser Fehler und 100 Wörter 45% dieser Rechtschreibfehler aus. Bis auf 7 Wörter sind diese 100 Wörter alle einsilbige Wörter. Würde man diese 100 Wörter immer richtig schreiben, dann würde man die Fehlerhäufigheit in den häufigsten Wörtern um 45% verringern. Beispiele für Wörter, die auf der Standardtastatur häufig falsch geschrieben werden, sind: "also", "are", "away", "do", "ever", "every", "find", "found", "give", "good", "great", "have", "is", "it", "like", "look", "many", "must", "never", "number", "only", "people", "place", "should", "take", "than", "thank", "their", "then", "there", "these", "think", "those", "time", "too", "well", "what", "when", "which", "while", "with", "work", "would", "write"." Man muss sich das oben Gesagte kurz vor Augen führen. Die Hälfte aller Schreibfehler werden in 100 Wörtern geschrieben. Würde man 2-3 Buchstaben umtauschen, sodass diese Wörter korrekt geschrieben würden, wäre die Hälfte aller Schreibfehler beseitigt. Professor Dvorak fasst seine Kritik an der Standardtastatur so zusammen:
Mindestanforderung an die Bewertung (von 1932)Aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass man bei der Untersuchung einer Tastaturbelegung und einer Aussage über ihre Güte zumindest folgende Kennzahlen angeführt werden sollten:
Dieses war zumindest Stand der Dinge in 1932. Wer eine neue Tastatur entwirft, muss diese anhand der genannten Zählwerte mit der damals entwickelten Tastaturbelegung - der Dvorak-Tastatur - vergleichen lassen. Neuere AnforderungenShiftkollisionenAnders als in der englischen Sprache, für die die Dvorak-Tastatur und die oben genannten Zählverfahren entwickelt worden sind (und anders als in allen anderen Sprachen auch) werden auf Deutsch sehr viele Wörter groß geschrieben. Aus der Patentschrift Dvoraks geht hervor, dass er nur Kleinbuchstaben berücksichtigt hat. Da die deutsche Schriftsprache erheblich mehr Großbuchstaben enthält als die englische, wird die Shift-Taste also häufiger benutzt. Dabei muss die Hand ganz oder teilweise von der Grundstellung entfernt werden. Gleich welcher Buchstabe nach der Shift-Taste geschrieben werden muss, der Finger, der diese Taste drücken muss, ist jetzt nicht mehr auf seinem Platz. Der Schreibvorgang kann erst weitergeführt werden, wenn die Grundstellung wieder eingenommen worden ist. Nun sind einige der Meinung, dass der Kleinfinger darunter besonders leidet. Sie behaupten, dass der Kleinfinger von der Shift-Taste auf eine andere Taste springen muss, was genau so schlimm ist, wie wenn ein anderer Finger zwei Tasten nach einander drücken muss. Andere sagen, dass die anderen Finger ebenfalls nach Drücken der Shift-Taste leiden, und zwar im gleichen Umfang wie der Kleinfinger oder zumindest teilweise. Sie springen zwar nicht von der Shifttaste auf den folgenden Buchstaben, sondern "aus der Luft" dahin. Aber schlecht sei dies nun allemal, so die Argumentation. Wer von ihnen nun Recht hat, ist schwierig zu entscheiden. Wir werden auf jeden Fall an dieser Stelle immer die so genannten "Shift-Kollisionen" mitzählen; die Zahl der Kleinfingertasten unmittelbar vor oder nach einer Shifttaste der gleichen Hand. Seitliche NachbaranschlägeAuch wenn Dvorak dieses nur indirekt in seinem Buch "Typewriting behavior" erwähnt, hält er aber die Koordination zwischen dem Zeige- und dem Mittelfinger auf der selben Hand für besser als die Koordination zwischen anderen benachbarten Fingern. Bei der Untersuchung der Dvorak-Tastatur stellt man überraschend fest, dass die benachbarten Anschläge auf Englisch insgesamt im Vergleich mit der Standardtastatur viel seltener geworden sind, was auch ein erklärtes Ziel von Dvorak war. Sie sind aber gleichmäßig auf den Fingern verteilt. Die Dvorak-Tastatur kann auch für Deutsch benutzt werden. Hier finden sich die benachbarten Anschläge zu zwei Dritteln auf Zeige- und Mittelfinger. Es ist ein Zufallsbefund. Wahrscheinlich wusste Dvorak selber nicht, wie seine Tastatur bei der deutschen Sprache abschneidet. Wir halten es aber für richtig, bei der Bewertung einer Tastatur nicht nur die Anzahl der Bigramme zu zählen, die Nachbaranschläge darstellen, sondern auch anzugeben, ob sie "mittig" (zwischen Zeige- und Mittelfinger) oder "seitlich" (zwischen Mittel- und Ringfinger oder zwischen Ring- und Kleinfinger) auftreten. Das KorpusIn der Patentschrift Dvoraks benutzt er bei der Entwicklung der Tastatur zwei Aufstellungen. Die eine ist eine Tabelle der Häufigkeiten aller Buchstaben, die andere eine Tabelle der Häufigkeiten der wichtigsten Bigramme. Es wird in der Patentschrift nicht erwähnt, wo er diese Tabellen bekommen hatte, und auf welche Art von Sprache sie sich beziehen. Bei unserer Bewertung von Tastaturen brauchen wir die entsprechenden Tabellen zusätzlich für die deutsche Sprache. Die Erstellung einer Tabelle mit den Häufigkeiten der Buchstaben geschieht, indem man einen Text nimmt und einfach die Buchstaben zählt. Nun kommt aber leicht der Verdacht, dass verschiedene Texte unterschiedliche Buchstabenhäufigkeiten haben könnten. Wir möchten Häufigkeiten haben, die für die "gesamte Sprache" aussagekräftig sind. Die Erstellung einer Tabelle mit den Häufigkeiten von Bigrammen, also Buchstabenpaaren, geschieht indem man den gleichen Text wie vorher nimmt und sich erst die ersten zwei Zeichen anschaut, die darin vorkommen. Sie sind das erste Zeichenpaar. Danach schaut man auf das zweite und das dritte Zeichen. Sie sind das zweite Zeichenpaar. So verfährt man den ganzen Text hindurch, bis alle vorkommenden Zeichenpaare gezählt sind. In beiden Fällen braucht man also einen Text. Der Text, der in diesem Fall tatsächlich verwendet worden ist, ist aus mehreren Teiltexten zusammengesetzt worden. In der Dokumentation des Tastatur-Optimier-Programms fasst der Entwickler Andreas Wettstein die Zusammensetzung so zusammen: "Der deutsche Korpus, der den Files deutsch.txt.* zugrunde liegt, setzt sich so zusammen:
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